CDU-Parteitagrhetorik verschleiert Probleme am Hagener Wohnungsmarkt

Die Vorwürfe des CDU-Fraktionsvorsitzenden Jörg Klepper gegenüber Baudezernent Henning Keune in dieser Zeitung, er würde zu wenig Neubaugrundstücke für junge Familien ausweisen, überrascht die SPD-Ratsfraktion. Diese plakativen und verkürzten Äußerungen mögen als Parteitagrhetorik für geschundene Mitgliederseelen geeignet sein, dienen aber keiner sachgerechten Diskussion und überdecken zudem nur eigene Konflikte und Fehlentscheidungen.

Seit vielen Jahren passiert in Hagen aus Sicht der SPD beim Thema Wohnen viel zu wenig. Die von Herrn Klepper zitierte Verwaltungsvorlage unter dem Titel „Quantitative Betrachtung des Handlungskonzeptes Wohnen“ gibt hier unter Einbeziehung aktueller Zahlen wichtige Hinweise, um die Schieflage am hiesigen Wohnungsmarkt zu überwinden. Allerdings wird der Erkenntnisgewinn verzerrt, wenn Inhalte nicht im Zusammenhang dargestellt werden, wie Klepper dies offensichtlich auf dem Parteitag bewusst getan hat.

„Tatsächlich sieht die Studie den Bedarf von vielen jungen Familien in Hagen nach einem geeigneten Zuhause, der auch ohne die Ausweisung von Neubaugebieten nicht gedeckt werden kann. Die Studie macht aber ebenfalls deutlich, dass der Bedarf zu einem deutlich größeren Anteil im Bestand gedeckt werden könnte, wenn gleichzeitig mehr barrierefreier Wohnraum für ältere Menschen gebaut würde“, erläutert Jörg Meier, Stadtentwicklungssprecher der SPD-Ratsfraktion, Hintergründe und Zusammenhänge. Die dann freiwerdenden Einfamilienhäuser stünden dem Markt zu Verfügung.

Doch die aktuellen Zahlen machten leider deutlich, dass gerade in dem Neubausegment von Mehrfamilienhäusern Hagen im NRW-Vergleich als Schlusslicht gilt. Die Folge ist eine überproportional hohe Nachfrage nach Einfamilienhaus-Grundstücken in Neubaugebieten, weil im Bestand nichts zu finden ist.

Die entscheidende Frage ist daher, warum in Hagen so wenig Wohnbauflächen ausgewiesen wird. „Genau an diesem verschweigt Herr Klepper seinen CDU-Mitgliedern und der Öffentlichkeit, dass der Grüne Koalitionspartner eine ganz andere Auffassung als die CDU vertritt. Die Hagener Grünen lehnen entgegen aller Expertenempfehlungen jegliche Neubaulandentwicklungen ab. Selbst in der Frage der Innenverdichtung bestehender Wohnquartieren, wie zuletzt beim Baugebiet Auf der Gehre, ist keinerlei Bereitschaft zu erkennen, ideologische Barrieren zu überwinden“, kritisiert Jörg Meier. Ohne die SPD als Befürworter wichtiger Stadtentwicklungsprojekte würde aktuell in Hagen kein Bauland entwickelt werden.

Leider verschweige Jörg Klepper auch einen weiteren Grund für die schleppende Stadtentwicklung in Hagen. Selbst wenn die Verwaltung wollte, wäre sie nicht in der Lage, ausreichend Baulandflächen zu entwickeln. „Es fehlt schlicht das Personal, und zwar seit Jahren. Die SPD hat in der Vergangenheit immer wieder auf diesen Missstand hingewiesen, der sich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels mittlerweile noch verschärft hat. Die Liste der dadurch nicht bearbeiteten Stadtentwicklungsprojekte wird länger und länger“, weiß Jörg Meier.

Anträge der SPD-Ratsfraktion, zusätzliche Gelder für Mitarbeiter in den Haushalt einzustellen, wurden zuletzt 2019 von der Allianz aus CDU, Grünen und FDP abgelehnt. Dies mag wiederum den Grünen recht, aber nicht im Interesse der CDU sein.

Wenn im Dezember der Kämmerer den neuen Haushalt einbringt sollte die CDU im Sinne einer vernunftbetonten Politik auf den Kurs der SPD einschwenken.

Die von Klepper angesprochenen überbordenden Baukosten, die jungen Familien aufgrund von Auflagen der Verwaltung aufgebürdet würden, müssten natürlich vermieden werden – auch aus Sicht der SPD. Vieles aber von dem, was die Verwaltung im Rahmen der Bauleitplanung als Selbstverpflichtung formuliert hat, ist bereits Standard und muss aufgrund der Vorschriftenlage gemacht werden. Dies hat die Verwaltung mehrfach auch in Sitzungen erklärt. Der geforderte erhöhte Wärmeschutzstandard ist zwar nicht vorgeschrieben, entspricht aber mittlerweile dem Standard der Fertighausanbieter, die in Neubaugebieten ganz überwiegend zum Zuge kommen.

Die SPD setzt darüber hinaus in einem Ergänzungsantrag auf ein Anreizsystem für nachhaltiges Bauen. Wir sind überzeugt, dass gerade junge Familien dies auch nutzen werden. Denn dem Letzten muss mittlerweile klar sein, dass die Kyoto-Beschlüsse vor Ort in den Kommunen umgesetzt werden müssen, wenn wir es nicht bei reinen Lippenbekenntnissen belassen wollen.

 

Infobox:

  • Stadtbaurat Henning Keune widerspricht Jörg Klepper. Er habe in seiner bisherigen Hagener Amtszeit niemals eine Aussage zur Begrenzung von Einfamilienhaus-Grundstücken getroffen.
  • Die Verwaltung hat dargestellt, dass nach ihren Berechnungen in den nächsten fünf Jahren 135 Baugrundstücke bereitgestellt werden sollen, also 27 pro Jahr.
  • Diese Zahl lasse sich aufgrund der Flächenverfügbarkeit auch nicht wesentlich steigern.
  • Die Verwaltung hat ebenfalls dargestellt, das weitergehende Bedarfswünsche im Rahmen der Flächennutzungsplan-Aufstellung diskutiert werden können und auch müssen. Die Entscheidung darüber trifft letztlich die Politik im Stadtrat.

Sachantrag SPD-Ratsfraktion zu den Klima- und Umweltstandards in der verbindlichen Bauleitplanung