Rede zur Verabschiedung des Haushalts 2010

Mark Krippner, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Hagen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

die SPD-Fraktion wird den Haushalt 2010 mittragen.

Alle wichtigen strategischen Entscheidungen stehen erst im Herbst bei der Beratung des HSK 2011 an. Diese für die Stadt wichtigen Entscheidungen müssen gut vorbereitet werden. Darauf sollten wir unsere Arbeit konzentrieren.

Zum HSK 2010 ist uns aber noch folgende Klarstellung wichtig:

Im HSK 2010 sind neben der pauschalierten Darstellung der Zielzahlen der Zukunftskommission in der Finanzplanung die Maßnahmen des 1. Sparpakets und die 3 zusätzlichen Maßnahmen je Amt enthalten. Die in Band 1 des Haushalts gegebenen kurzen Begründungen lassen eine abschließende Beurteilung der jeweiligen Maßnahme nicht immer zu. Ggf. sind im Herbst im Gesamtzusammenhang aller Maßnahmen auch Korrekturen notwendig. Unter diesem Vorbehalt steht unsere jetzige Zustimmung zum HSK 2010.

Wir halten es deshalb für sinnvoll, wenn zur Vorbereitung der weiteren Beratungen folgende Ergänzungen durch die Verwaltung zu den genannten Maßnahmen erfolgen:

  • Information zum aktuellen Umsetzungsstand jeder Maßnahme
  • Zuordnung in die Systematik der ZukunftskommissionDarstellung der Zuständigkeit von OB oder Rat für jede Maßnahme

    Mit der aktuellen Fortschreibung der Veränderungsliste erreicht das Defizit mit 160 Mio € eine bisher nicht für möglich gehaltene Größenordnung. Fast jeder 3. aufgewendete Euro ist nicht mehr durch Einnahmen gedeckt. Schnell wird wieder von der Vergeblichkeitsfalle bei der Haushaltskonsolidierung gesprochen. Um es medizinisch zu beschreiben: Hagen liegt auf der Intensivstation. Welche lebensrettenden Maßnahmen müssen ergriffen werden? Es ist kein Königsweg, kein Patentrezept erkennbar. Manche Medizin schmeckt bitter. Besonders die aus Düsseldorf und Berlin.

    Es ist ein Trauerspiel, wie sich die Kommunalfinanzen insgesamt entwickelt haben. Nur noch 18 von 359 Gemeinden haben überhaupt einen ausgeglichenen Etat. Nothaushalte drohen zur Normalität zu werden. Viele Kommunen sind bereits überschuldet oder stehen kurz davor.

    Es ist schon skandalös, dass es erst soweit kommen musste, bevor Bund und Land überhaupt bereit waren, dieses für die Städte existenzielle Thema auf ihre Tages-ordnung zu nehmen. Gerne haben Bund und Land von hausgemachten Problemen der Städte gesprochen. Leider wurden sie hierbei von kommunaler Seite zu lange unterstützt. Noch im Kommunalwahlkampf haben auch Sie Herr Oberbürgermeister die Ursachen der Finanzprobleme nicht in den Rahmenbedingungen, sondern nur hier in Hagen gesehen. Inzwischen ist aber auch für sie klar, dass Hagen allein der Schuldenfalle nicht entkommen kann. Wir begrüßen es, dass sie hier Flagge zeigen und sich jetzt mit uns gegen Bund und Land zur Wehr setzen.

    Wir als SPD-Fraktion haben diese Auffassung schon immer vertreten. Die, die auch nach Auffassung des RP laufend gegen das Konnexitätsprinzip verstoßen, sind als Mitverursacher verpflichtet, uns zu helfen. Wir sehen uns hier nicht als Bittsteller. Wir haben als Stadt einen Anspruch auf eine sachgerechte Finanzausstattung.

    Die ZuKo hat die externen Belastungen mit mindestens 42,5 Mio € jährlich ermittelt, Tendenz steigend. Einen besonders eklatanten Griff in die Gemeindekassen hat der Bund mit dem sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz praktiziert. Bis zu 12 Mio € an Steuerausfällen werden in Hagen bis 2013 zu beklagen sein. Diese Verluste einer unverfrorenen Klientelpolitik sind bisher noch nicht in die Finanzplanung eingeflossen. Der OB hat entschieden, dass aufgrund des Gesetzes Mehreinnahmen zu erwarten

    sind. Bei allem Respekt Herr Oberbürgermeister, mit dieser Meinung stehen sie allein auf weiter Flur. Auch für dieses schwarz-gelbe Geschenk gilt: Nicht überall wo Wachstum drauf steht, ist auch wirklich Wachstum drin.

    Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.

    Ich will unsere zentralen Forderungen an Bund und Land noch einmal in Erinnerung rufen:

  • Der Soli gehört für die belasteten Kommunen abgeschafft. Rund 10% unserer Kassenkredite sind allein auf diese Zahlungen zurückzuführen.
  • Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft muss angehoben werden. Ebenso muss ein Ausgleich für den Anstieg beim Pflegewohngeld und der Grundsicherung im Alter gewährt werden.
  • Der Finanzausgleich muss die Aufgaben und Funktionen der Großstädte durch Aufstockung der Mittel mehr als bisher berücksichtigen. Die Vorteile, die das Umland aus unseren Angeboten erhält, müssen zumindest anteilig finanziell mitgetragen werden.
  • Hilfen bei Zinsen und Tilgung der aufgelaufenen Altschulden sind unerlässlich.

    Mit der Entscheidung des Rates im Juni 2009 über das Papier der Zukunftskommission hat der Rat einen Prozess eingeleitet, der angesichts der finanziellen Entwicklung der Stadt unausweichlich war. Da es aber bisher keine maßnahmenscharfe Beschlüsse gibt, können die Konsequenzen und Folgen im Einzelnen noch nicht endgültig eingeschätzt werden. Fakt ist: Mit einem Volumen von rd. 90 Mio € muten wir der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern eine Menge zu.

    Die SPD-Fraktion sieht die große Gefahr, dass in einem übereilten Verfahren Strukturen und Einrichtungen für immer zerschlagen werden. Deshalb müssen bei allen Maßnahmen die Auswirkungen für die Bürger und für die Zukunftsfähigkeit der Stadt gewissenhaft geprüft und abgewogen werden. Davon kann uns auch ihre Bemerkung Herr Oberbürgermeister „keine Zeit für endlose Debatten“ nicht abbringen. Der Grundsatz Qualität vor Schnelligkeit bleibt auch hierbei richtig.

    Für uns ist klar, dass sich mit dem Volumen dieses Pakets bereits der Rahmen abbildet, den die Stadt, wenn überhaupt, alleine heben und bewältigen kann. Summen jenseits der 90 Mio sind für uns nicht vorstellbar.

    Wir lehnen es ab, mit unserer Stadt in einen zerstörerischen Wettbewerb um immer größere Kürzungen zu treten. Hagen muss lebenswert bleiben. Kahlschlag ist nicht unser Verständnis von nachhaltiger und zukunftsfähiger Politik. Kahlschlag hat die Abstimmung mit den Füßen zur Folge: Die Bürger werden diese Stadt verlassen. Dies kann nicht einmal dieser RP ernsthaft wollen.

    Die Intendanten der NRW-Theater sprechen von einer bereits laufenden Zerstörung der Städte in ihrer Substanz. Sicher etwas überpointiert. Im Ergebnis darf es dazu nicht kommen. Wir müssen eine Balance zwischen dem Abbau des Defizits und dem Erhalt intakter Strukturen finden.

    Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.

    Das Papier der Zukunftskommission benennt summarisch Verbesserungspotenziale in den verschiedenen Themenfeldern. Die Kommission hat dazu Abgleiche mit den Haushalten von 7 vergleichbaren Städten in NRW auf Ebene der Produktbereiche vorgenommen. Im ausführlichen Tabellenanhang des Berichts sind die hierbei gewonnenen Benchmarks farblich dargestellt. Auf dieser differenzierten Grundlage hat der Rat im Juni 2009 den Auftrag zur Entwicklung konkreter Maßnahmen an die Verwaltung erteilt.
    Erklärter Wille war und bleibt es: Die hier erkennbare Gewichtung muss sich in den zu entwickelnden Maßnahmen widerspiegeln.

    Vereinfacht ausgedrückt: Grüne Bereiche wie Sozial und Jugend oder Sicherheit und Ordnung müssen weniger, rote Bereiche wie innere Verwaltung und Kultur müssen mehr zum Erreichen des Ziels beitragen. Das bleibt auch die Zielsetzung meiner Fraktion für die Maßnahmendebatte im kommenden Herbst. Der Rat hat mit seinem Beschluss vom Juni 09 bewusst die Methode Rasenmäher ausgeschlossen.

    Ihre Ausführungen im HFA am 23.4.10 veranlassen die SPD-Fraktion jedoch, sie mit Nachdruck an das vorher beschriebene differenzierte Vorgehen zu erinnern. 18,76% Einsparvorgabe über alles ist mit uns nicht zu machen. Es entspricht auch nicht der Vorgabe des Ratsbeschlusses, zumal die Ausgangsbasis immer die Fluktuationsrate des Personals war.

    Wir erwarten deshalb im Herbst Vorschläge, die auf der Grundlage der Benchmarks der ZuKo differenziert die Stärken und Schwächen der Bereiche, aber auch Qualitätsstandards berücksichtigen. Dazu muss endlich der seit einem Jahr angekündigte Austausch mit den 7 Vergleichsstädten über die hinter den Benchmarks liegenden Details erfolgen.
    Dieses Vorgehen ist nicht zuletzt auch im Blick auf erbrachte Vorleistungen der Ämter in früheren Sparrunden nur gerecht. Verweigerung in der Vergangenheit darf nachträglich nicht auch noch belohnt werden.

    Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.

    Nicht zuletzt durch die jetzt erneut versandte Kurzfassung des Leitfadens des Innenministers zur Haushaltssicherung sind die Regelungen des § 82 GO als das Kernstück des Nothaushaltsrechts nochmals in die Diskussion gekommen.

    Grundsätzlich ist zunächst festzustellen, dass derartige Vorgaben von einer Landesregierung, die selbst Forderungen nach eigenen Sparanstrengungen als wirtschaftlich nicht geboten abblockt, nur schwer erträglich sind. Die Leichtigkeit, mit der u.a. Nochinnenminister Wolf den Kahlschlag bei den sog. freiwilligen Leistungen fordert, macht schon erschrocken. Auch der Versuch der Disziplinierung mit dem massiven Hinweis auf disziplinar-, schadensersatz- oder gar strafrechtliche Folgen stellt eine neue Qualität in den Beziehungen zwischen dem Land und seinen Städten dar. Ich stelle mir die Frage, ob diese Maßstäbe eigentlich auch für die Akteure in Bund und Land gelten, wenn sie fortlaufend gegen den Verfassungsgrundsatz der Konnexität verstoßen?

    Aber auch die Praxis im eigenen Haus und im Zusammenspiel mit der Aufsichtsbehörde bietet wenig Anlass zur Freude: § 82 kommt immer dann ins Spiel, wenn es politisch angebracht erscheint. Hierzu zwei Beispiele:

    Beispiel 1: Ausbildungskräfte
    Nach langem Ringen haben wir im Februar einen gemeinsamen Kompromiss zur Neueinstellung und Übernahme gefunden. Jetzt, Anfang Mai belehrt uns der OB über seine Zuständigkeit und den § 82, der ihm quasi alles verbietet.
    Das ist ein mieses Spiel, Herr Oberbürgermeister. So lassen wir nicht mit uns umspringen. Ihre Zuständigkeit haben wir nie bezweifelt. In der Sache mussten wir davon ausgehen, dass der gefundene Kompromiss auch von ihnen so umgesetzt wird. Schließlich haben sie ihre Vorlage zurückgezogen und den Kompromissbeschluss im Rat mit ihrer Stimme unterstützt.

    Leider müssen wir jetzt feststellen, dass sie und die CDU-Fraktion von Anfang an das Ziel verfolgt haben, keine Azubis einzustellen. Ihre Flucht hinter den § 82 lassen wir ihnen dabei aber nicht durchgehen. Wäre diese Argumentation nämlich richtig und konsequent, hätte z.B. die unbefristete AT-Einstellung von Herrn Funk als ihrer rechten Hand niemals erfolgen dürfen. Auch ihre Überlegungen für einen hoch bezahlten neuen Geschäftsführer der WFG dürften kaum mit § 82 vereinbar sein.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der RP trotz Kenntnis von diesen Vorgängen weder beanstandet, noch mit einem seiner sonst üblichen Briefe reagiert hat. Die gab es nur bei den Azubis.

    Für uns ergibt sich hieraus als Fazit:
    Die Besetzung des eigenen Umfelds sind OB und RP wichtiger, als die Verpflichtung Jugendlichen eine Ausbildungsmöglichkeit zu eröffnen. Vertrauen sie doch bitte dem Sprecher ihres Kommunalen Arbeitgeberverbandes, dem Münchner Personaldezernenten. Der hat die Untersagung von Ausbildung als einen gesellschaftlichen Skandal scharf kritisiert.
    Zeigen Sie Kreuz Herr Oberbürgermeister und stehen Sie zu dem Kompromiss vom Februar und stellen Sie 15 gewerblich-technische Azubis ein. Auch gegen ein Votum aus Arnsberg. Unsere Unterstützung haben Sie.

    Beispiel 2: Tierheim
    Das Tierheim in der beschlossenen Form war der CDU-Fraktion, zumindest in Teilen von Anfang an ein Dorn im Auge. Auch der OB hat sich nicht als potentieller Fürsprecher des Neubaus besonders hervorgetan. Ähnlich wie bei den Azubis, hat plötzlich auch dieses Thema den RP interessiert. Die dann folgende quälende Geschichte bis zum gescheiterten Schlichtungsverfahren ist hinlänglich bekannt.
    Für uns steht heute fest:
    Der RP beging eindeutigen Rechtsbruch und strich die bereits bewilligten Bundesmittel eigenmächtig aus der Bewilligungsliste. Ein einmaliger Vorgang bundesweit, wie wir vom zuständigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium erfahren haben. Das jetzt beginnende Gerichtsverfahren wird die Rechtswidrigkeit des Handelns von Helmut Diegel bestätigen. Den Tieren nutzt es wenig, die Fristen werden das Projekt wahrscheinlich zur Strecke bringen.
    Uns drängt sich der Verdacht auf, dass man in Arnsberg und auch in Teilen in Hagen über dieses Ergebnis nicht besonders traurig ist.

    Das Vorgehen ist zudem ein Schlag in das Gesicht all derer, die sich ehrenamtlich in diesem Bereich einbringen und in einem bisher nicht da gewesenen Maß finanziell engagiert haben. Wenn so die Bürgergesellschaft nach Muster der CDU funktionieren soll, nein Danke.

    Am kommenden Sonntag wird ein neuer Landtag gewählt. Vom Wahlergebnis hängt auch die Besetzung des Regierungspräsidenten in Arnsberg ab. Helmut Diegel war in dieser Funktion für Hagen und andere Ruhrgebietsstädte keine Hilfe, eher eine Belastung. Ich bin sicher, dass die Hagener das wissen und sich richtig entscheiden werden.

    Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren.

    Die SPD-Fraktion hofft, dass es uns trotz aller Unterschiede letztlich gelingt, zu Kompromissen zu finden, um das Defizit des Haushalts soweit wie eben noch vertretbar zu verringern.

    An dieser Stelle will ich den Bürgerinnen und Bürger Dank sagen für das, was sie ehrenamtlich mit großem Einsatz und Engagement für diese Stadt leisten.
    Ich hoffe, sie werden sich weiter für ihre Stadt zu engagieren und mitmachen. Ohne diesen Einsatz würde viele Bereiche bereits heute nicht mehr funktionieren.

    Aber es ist auch klar: Von außen muss spürbare Hilfe kommen.

    Gibt es keine Hilfe, muss die Stadt allein oder ggf. mit anderen Städten vor dem Verfassungsgericht klagen, um eine ihrem Verfassungsauftrag entsprechende Finanzierungsgrundlage zu erwirken. Die Menschen in Hagen haben Anspruch darauf, dass auch hier die Kinderbetreuung verbessert, die Schulen saniert, der Sport und die Kultur weiter gefördert und die Jugendarbeit verbessert wird. Kurzum, die Stadt lebens- und liebenswert bleibt.

    Es gibt schließlich nichts, was systemrelevanter sein könnte als eine funktionierende Stadt Hagen.

    Glück auf!